Verschleppt: ehemalige NS-Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter aus der West-Ukraine berichten

Online-Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945 Erinnerungen und Geschichte“ wird erweitert

Die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) präsentieren am Mittwoch, den 29.06.2022 um 16:00 Uhr im Rahmen einer Online-Veranstaltung eine neue Teilsammlung des Online-Archivs „Zwangsarbeit 1939-1945 – Erinnerungen und Geschichte“. Die Teilsammlung umfasst 40 Audio- und Video-Interviews ehemaliger Zwangsarbeiter*innen aus der West-Ukraine.


„Man ließ uns in Lwiw in solche Wagen einsteigen und nach zwei Tagen sind wir schon in Magdeburg angekommen. Niemand hat uns was zu essen gegeben. Ich glaube, erst in Halle oder in einer anderen Stadt irgendwo in Deutschland, hat man uns Kaffee zu trinken gegeben. Und dann hat man uns im Arbeitsamt verteilt.“

Wasyl S., Interview za534, 20.06.2006, Interview-Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945“ https://archiv.zwangsarbeit-archiv.de/de/interviews/za534

Rund 600 Lebenserinnerungen von ehemaligen Zwangsarbeiter*innen des NS-Regimes aus 26 Ländern wurden in den Jahren 2005 bis 2006 in einem durch die FernUniversität Hagen koordinierten Interviewprojekt aufgezeichnet. Die Freie Universität Berlin hat diese Audio- und Video-Interviews inhaltlich erschlossen und stellt sie im Online-Archiv www.zwangsarbeit-archiv.de Schulen und Gedenkstätten, Forschenden und Interessierten zur Nutzung bereit. Transkripte, Übersetzungen, Fotos und Kurzbiografien sowie Expertengespräche ergänzen die Interviewsammlung.

Nun wird das Archiv um eine neu aufbereitete Teilsammlung von 40 Interviews erweitert, die sich dem besonderen Schicksal von Zwangsarbeiter*innen aus der West-Ukraine widmet.

Zwischen 1941 und 1945 leisteten etwa 2,4 Millionen Menschen aus der Ukraine Zwangsarbeit für das nationalsozialistische Deutschland. Etwa 350.000 von ihnen kamen aus den westukrainischen Distrikten. In den Interviews berichten 17 Frauen und 23 Männer über ihr Aufwachsen in der West-Ukraine, ihre Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Deutschland oder über ihre Deportation in Konzentrationslager. Die zumeist in der Landwirtschaft und der Industrie eingesetzten Zwangsarbeitenden erinnern sich an die Bedingungen, unter denen sie zur Arbeit gezwungen wurden, an das Verhältnis zur deutschen Bevölkerung und an die schwierige Rückkehr nach Hause, wo sie häufig eine zweite Verfolgung erfuhren.

Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen russischen Angriffskrieges sind diese Lebensgeschichten eindrückliches Zeugnis der von Angriffen und Besatzung geprägten Geschichte der Ukraine.

Zur Präsentation der neuen Teil-Sammlung laden die Universitätsbibliothek der FU und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) alle Interessierten herzlich zu einer Online-Veranstaltung (via Webex) ein. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Teilnahme ist unter nachfolgendem Link möglich (verwendete Software: Cisco Webex):
https://fu-berlin.webex.com/fu-berlin-en/j.php?MTID=md1a1c3397e0601844dd0c0bc73adb44c


PROGRAMM | Mittwoch, 29. Juni 2022

16:00 – 16:10 Uhr | Grussworte
Dr. Andreas Brandtner (Direktor der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin)
Dr. Sonja Begalke (Fachreferentin, Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft)

16:10 – 16:30 Uhr | Projektrahmen und Online-Archiv
Dr. Doris Tausendfreund (Freie Universität Berlin)

16:30 – 16:50 Uhr | Historischer Kontext und drei biographische Beispiele
Dr. Kateryna Kobchenko (ehem. Freie Universität Berlin)

16:50 – 17:10 Uhr | Moderiertes Gespräch mit anschließender Diskussion
Verena Nägel (Freie Universität Berlin)
im Gespräch mit Lina Navrotska (Übersetzerin) und Dr. Nazarii Gutsul (Historiker)


Die Veranstaltung ist in deutscher Sprache. Sie wird aufgezeichnet.

Einladung zum Download (PDF)

„Iranian Video Oral History Online Collection“ lizenziert

RAIOHAb sofort kann über das FU-Campusnetz auf die Iranian Video Oral History Online Collection zugegriffen werden.

Die persischsprachige Webseite bietet Zugriff zu Oral-History-Beständen der Research Association for Iranian Oral History (RAIOH). Der „Forschungsverein für Iranische Mündliche Geschichte“ wurde im Jahr 2000 in Berlin von dem iranischen Exilanten Hamid Ahmadi gegründet und widmet sich Video-Interviews von Mitgliedern entsprechender politischer oder sozialer Gruppen aus dem Land – der Großteil der Interviewten entstammt dem iranischen Mittelstand oder der Unterschicht. Ahmadi studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaften, publizierte zu sozialistischen und kommunistischen Strömungen im Iran im 20. Jahrhundert und war Leiter des Video Oral History Iranian Left Project am International Institute of Social History (IISH) in Amsterdam.

Die persischsprachigen Video-Zeitzeugenberichte entstanden in den Jahren 1994 bis 2010 und haben eine Laufzeit von ca. 1000 Stunden. Gegenstand sind Personen und Aktivisten, die sich in der Politik, im bewaffneten Kampf, Wissenschaft, der Kunst, Studenten- oder Frauenbewegung eingesetzt haben. Die Interviewten stammen aus vier Generationen und decken einen Zeitraum von 1919 bis 2010 ab. Jeder Interviewte beginnt mit Erzählungen aus der Kindheit und endet in der Gegenwart. Die Bild- und Tonqualität variiert von Video zu Video. Interview-Transkripte werden nicht angeboten.

Link des Monats Dezember 2014: Civil Rights History Project

Mit dem Civil Rights History Project (CRHP) ist seit diesem Jahr eine einzigartige Sammlung an Video-Interviews kostenfrei online einsehbar. Es handelt sich dabei um Zeitzeugeninterviews zur US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die von der Library of Congress auf einer eigenen Online-Plattform bereitgestellt werden. Die Interviewten, mehrheitlich Afroamerikaner, erlebten die Bürgerrechtsbewegung als Jugendliche oder junge Erwachsene mit und rekapitulieren so bedeutsame Ereignisse wie den Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit (1963) oder die Selma-nach-Montgomery-Märsche (1965).

Neu im Buchregal: „Erinnern an Zwangsarbeit“

cover_tagungsband Der Band ist hervorgegangen aus einer gleichnamigen Tagung, die das Center für Digitale Systeme (CeDiS) an der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ vom 4. bis 6. Oktober 2012 in Berlin veranstaltete. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten über den Umgang mit Zeitzeugen-Interviews im digitalen Zeitalter in Forschung, Museum, Internet und Bildung. Ein Zeitzeugengespräch mit dem Auschwitz-Überlebenden Paul Schaffer und eine Bus-Exkursion zu Orten der Zwangsarbeit in Berlin vervollständigten seinerzeit das Programm.

Der von Nicolas Apostolopoulos und Cord Pagenstecher (beide CeDiS, FU Berlin) herausgegebene Band soll zu einer Reflexion über Potenziale, Herausforderungen und Qualitätsstandards beim Aufbau eines Interview-Archivs – von der Interviewführung bis zur Online-Darstellung – einladen. Neben wissenschaftlichen Analysen werden auch Werkstattberichte des interdisziplinären Archiv-Teams sowie Best-Practice-Beispiele anderer Interviewprojekte im In- und Ausland thematisiert.

Bibliographische Daten:
Apostolopoulos, Nicolas:
Erinnern an Zwangsarbeit : Zeitzeugen-Interviews in der digitalen Welt / Nicolas Apostolopoulos … (Hrsg.). – Berlin : Metropol-Verl., 2013. – 296 S.. – Ill., graph. Darst. . – ISBN: 978-3-86331-156-8

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Oral-History-Datenbank „Refugee Voices“ lizenziert

Als erste Einrichtung in Deutschland bietet die Freie Universität Berlin Zugriff auf die Oral-History-Sammlung Refugee Voices der Association of Jewish Refugees (AJR). Die Datenbank enthält 150 lebensgeschichtliche Video-Interviews von jüdischen Überlebenden des Nationalsozialismus (NS) und ergänzt die bisher angebotenen Plattformen Visual History Archive (ca. 52.000 Interviews) sowie Zwangsarbeit 1939-1945 (ca. 590).

Das Archiv umfasst insgesamt 450 Interviewstunden. Die Interviews wurden in englischer Sprache geführt. Die Interviewpartner sind zumeist selbst Mitglieder der AJR. Sie wurden zum großen Teil in Deutschland und Österreich geboren und sind während oder nach dem Nationalsozialismus nach Großbritannien immigriert. Neben dem Leben im nationalsozialistischen Deutschland und in den von Deutschland besetzten Ländern werden insbesondere Migrations- und Exilerfahrungen wiedergegeben.

Unter den Interviewten finden sich auch so bekannte Namen wie der Oscar-prämierte Filmausstatter Ken Adam, die Psychotherapeutin Helen Bamber, die Künstlerin Milein Cosman, der Historiker Edgar Feuchtwanger (Neffe von Lion Feuchtwanger), die Schriftstellerin Eva Figes, der Zionistenführer Arieh Handler, der Komponist Joseph Horovitz sowie der Wissenschaftler und Fernsehmoderator Heinz Wolff.

Die Video-Interviews sind vollständig transkribiert. Die Transkriptionen sind mit einem Timecode versehen, der ein einfaches Auffinden der entsprechenden Stellen in den Video-Aufzeichnungen und umgekehrt ermöglicht. Zwar entfällt im Gegensatz zu VHA und Zwangsarbeiter-Archiv die kostenfreie Registrierung, dafür verfügt Refugee Voices leider über keine komfortable Suchfunktion. Einzig über den Transcript Catalogue („Catalogue“) – eine statische Liste mit Informationen zu allen 150 Interviewten (mehr als 40 unterschiedliche Kategorien) – ist ein strukturierter(er) Zugriff möglich.

Wichtiger Hinweis: Momentan gibt es Schwierigkeiten, die Datenbanken Refugee Voices und Visual History Archive an den Arbeisplätzen in den FU-Bibliotheken („Thinclients“) zu nutzen. Wir bemühen uns, das Problem bis spätestens Mitte November Dezember in den Griff zu bekommen!

Bild: Einfahrt zum KZ Auschwitz (Bundesarchiv, Bild 175-04413 / CC-BY-SA)