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Provenienzforschung in der Bibliothek des Botanischen Gartens: Getrocknete Pflanzen & die Geschichte eines geraubten Buchs aus Frankreich

Bildquelle: Lena Mittasch

Beim oberflächlichen Durchblättern ist sie leicht zu übersehen, die etwas mitgenommene Blume, die nah am Falz zwischen den Seiten vier und fünf gepresst wurde. Zwischen anderen Seiten sind noch wenige weitere Pflanzen und Blätter zu finden. Sie liegen im Buch Flore der Loir-et-Cher von Adrien Franchet und wurden höchstwahrscheinlich von Schülerinnen der Mädchenschule École Primaire Supérieure de Jeunes Filles de Pontlevoy gepflückt. Denn dieser Schule gehörte das Buch, das bei Provenienzforschung in der Bibliothek des Botanischen Gartens auffiel. Es handelt sich um NS-Raubgut, das während des Zweiten Weltkriegs nach Berlin gelangte. Eine Einheit der Wehrmacht hatte die Schulbibliothek ausgeräumt.

In der Recherche war es keine Blume, die das Nachschlagewerk als Eigentum der französischen Schule auswies. Aussagekräftiger war ein Stempel auf dem Titelblatt. Denselben Stempel fanden auch Provenienzforscher:innen des Deutschen Technikmuseums Berlin in einem Buch aus ihrer Bibliothek. Kürzlich konnten beide Bücher nach Frankreich restituiert werden.

Die gepressten und getrockneten Pflanzen in diesem Buch aus der französischen Schulbibliothek sind ein besonderer Fund. Gerade solche persönlichen Spuren geben einem geraubten Buch für Erben und Restitutionsempfängerinnen einen hohen ideellen Wert. In diesem Fall ermöglichen Sie heutigen Schüler:innen in Pontlevoy einen Zugang zur Geschichte ihres Internats.  


Interessieren Sie sich für Provenienzforschung? Verfolgen Sie Restitutionsfälle aus verschiedenen Bibliotheken im Blog der Kooperativen Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets (LCA).

Übrigens: Lassen Sie sich manchmal durch Pay Walls davon abhalten, Artikel in Onlineausgaben deutscher Tageszeitungen zu lesen? Das muss nicht sein. Viele Zeitungen können Sie über das Bibliotheksportal Primo recherchieren und als Universitätsangehörige in Datenbanken wie Nexis Uni den Volltext der Artikel aufrufen.


Text: Lisa Trzaska

(Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Provenienzrecherche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut im Bestand der Bibliothek des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin“. Das Forschungsprojekt wird gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturverluste.

Fundstücke

“Fundstücke. Kurioses und Alltägliches aus einem Jahr Grimm-Zentrum” ist eine Online-Ausstellung der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin.

Zum Thema Fundstücke in Bibliotheken passt auch eine Fotostrecke aus der Berliner Zeitung mit skurrilen Lesezeichen, die in Bibliotheksbüchern vergessen wurden. Wie beispielsweise ein Geheimzahlzettel für ein asiatisches Nummernkonto, ein Döner-Treue-Pass und ein Stadtplan von Florenz ebenso wie gepresste Blätter und Blüten … Spielkarten und Heiligenbildchen. 😉