Neben der wissenschaftlichen Forschung und Lehre ist auch die Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung eine zentrale Aufgabe für die Professorinnen und Professoren der Freien Universität Berlin. So hat der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Hans Merkens nicht nur Jugendforschung in der wieder zusammenwachsenden Hauptstadt geleistet, sondern mit der Leitung einer zentralen Planungskommission auch zur Gestaltung der Zukunft der Hochschule beigetragen.
Nicht nur mit Forschung und Lehre sorgt die Freie Universität Berlin für die Attraktivität der Stadt – auch zum Kulturleben leistet sie mit dem Collegium Musicum Berlin – zusammen mit der Technischen Universität Berlin – einen vielbeachteten Beitrag. Das Orchester, das in den 1950er Jahren in überschaubarer Größe begann, schaffte es sogar bis in die Philharmonie.
Bildquelle: FU Berlin Universitätsarchiv Foto-S Foto-UK/0086/ Foto: Inge Kundel-Saro
Der Ausbau der Hochschulen als Konsequenz der Öffnungspolitik der Bildungsreform musste in den frühen 1970er Jahren auch Konsequenzen in der Bautätigkeit haben. Da erschien es als glückliche Fügung, dass sich Asbest als ein Wundermaterial für das Bauen präsentierte, das einfach und für fast alles verwendet werden konnte. Das böse Erwachen erfolgte später: Im laufenden Hochschulbetrieb musste der als giftig und gesundheitsschädlich erkannte Baustoff aufwendig entfernt werden – von den Herausforderungen, die das an die Technische Abteilung stellt, erzählen deren Mitarbeiter und betroffene Angehörige der Hochschule.
Während der Studentenunruhen der späten 1960er Jahre entstand die Idee, dass es an der Freien Universität einen Ort zur antiautoritären Erziehung der Kinder geben sollte. Mit der Eröffnung der Kindertagesstätte an der FU 1977 hatte sich diese Idee vielen Realitäten zu stellen. Über vierzig Jahre gestaltete Gabriele Barthold-Kloss die Einrichtung und deren pädagogische Ausrichtung als engagierte Erzieherin und stellvertretende Leiterin mit. In einem neuen Portraitfilm schildert sie ihre vielfältigen Erfahrungen.
Das Audio-Archiv von Claude Lanzmann soll im Interviewportal Oral History. Digital der Freien Universität erschlossen und öffentlich zugänglich gemacht werden.
Ende 2021 stiftete die Witwe von Claude Lanzmann, Dominique Lanzmann-Petithory, sein bislang unveröffentlichtes Audio-Archiv dem Jüdischen Museum Berlin (JMB). Das Museum hat die Kassetten, auf denen rund 200 Interviewstunden gespeichert sind, digitalisiert, um sie für die Zukunft zu bewahren. Im Rahmen eines von der Alfred Landecker Foundation geförderten Projekts soll der Bestand “Lanzmann-Audio-Archiv” nun transkribiert, übersetzt und inhaltlich erschlossen werden.
Als Kooperationspartner unterstützt und berät das Team der Digitalen Interview-Sammlungen der Universitätsbibliothek das Projekt. So soll das Audio-Archiv in dem digitalen Interviewportal Oral History. Digitalder Freien Universität erschlossen und öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Archivsoftware wird hierfür an die besonderen Bedürfnisse der mehrsprachigen Audio-Sammlung angepasst.
Bei dem Audio-Archiv handelt es sich um Tonaufnahmen von Interviews, die der Regisseur Claude Lanzmann bei den Recherchen in den 1970er-Jahren vor Beginn der Dreharbeiten für seinen Film Shoah geführt hat. Es sind Gespräche mit sehr unterschiedlichen Zeitzeug*innen: mit Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager, mit Widerstandskämpfer*innen, Historiker*innen, Geistlichen, Intellektuellen, Politiker*innen aber auch mit Täter*innen.
Der Film Shoah hat die Erinnerung an den Holocaust in besonderer Art und Weise im Gedächtnis eines weltweiten Publikums verankert. Lanzmann hat zwölf Jahre lang an diesem Dokumentarfilm gearbeitet. Durch das “Lanzmann-Audio-Archiv” werden seine Recherchen dokumentiert und wertvolle Zeitzeug*innendokumente aus den 1970er-Jahren zugänglich gemacht.
Im vergangenen Jahr wurde das Audio-Archiv in das UNESCO-Register des Weltdokumentenerbes „Memory of the World“ aufgenommen. Die Dokumente im Register der UNESCO, wie die Göttinger Gutenberg-Bibel oder die Handschriften Fjodor Dostojewskis, markieren kulturelle Wendepunkte. Daher sollten Archive, Bibliotheken und Museen das Bewusstsein für deren Bedeutung schärfen.
Improvisation war ein wesentliches Element bei der Gründung der Freien Universität Berlin – Universitätsgebäude im engeren Sinne standen nicht zur Verfügung, und an Neubauten war 1948 auch nicht zu denken. So wurden vor allem die vielen Villen genutzt, die in Dahlem leer standen. Der in Folge weitläufig verstreute Campus verlieh der Hochschule einen eigenen Charakter, sollte aber auch zu einigen Problemen führen…
Über rund 250 Villen verfügte die Freie Universität Berlin in der Zeit ihrer größten räumlichen Ausbreitung. Was als Notlösung begonnen hatte, entwickelte sich zu einem Charakteristikum der Hochschule – mit der Errichtung von Zentralgebäuden, spätestens aber mit dem Fall der Mauer änderte sich die Lage aber grundlegend. Die Freie Universität musste lernen, sich mit ihren Beständen auf dem Immobilienmarkt der Stadt zu bewegen.
Auch das Erbe von Alexander von Humboldt wird an der Freien Universität Berlin gepflegt – über 3.000 Exponate der von ihm in Südamerika gesammelten Pflanzen befinden sich in einer Ausstellung des Herbariums des Botanischen Gartens.
Wie mit diesem Schatz wissenschaftlich gearbeitet wird, erzählt Professor Dr. Walter Lack, ehemaliger Direktor des Botanischen Gartens und des Botanischen Museums und Hochschullehrer am Fachbereich Biologie der Freien Universität.
Screenshot aus dem Interview mit Christa Beckmann. Quelle: erlebte-geschichte.fu-berlin.de
Christa Beckmann auf einer Veranstaltung zum 70. jährigen Jubiläum der Freien Universität Berlin. Quelle: Aus dem Bestand von Bernd Wannenmacher / Foto: unbekannt
Die Freie Universität Berlin ist fester Bestandteil der Stadt – aber was hier in Forschung und Lehre geschieht und wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Arbeit zu gesellschaftlichen Entwicklungen beitragen und sie erklären, muss der breiteren Öffentlichkeit auch vermittelt werden.
Christa Beckmann hat das als Leiterin der Pressestelle in entscheidenden Jahren der Hochschule getan und den Weg zur Exzellenzuniversität mit ihrer Arbeit in herkömmlichen und neuen Medien begleitet. Geprägt war ihre Zeit in der Pressestelle nicht nur von dem gesteigerten Interesse an den Forschungsleistungen der Freien Universität Berlin, sondern auch von der Aufgabe, neue Kommunikationskanäle in den Sozialen Medien zu bespielen, um ein jüngeres Publikum zu gewinnen.
Blick auf die Ordner mit den Original-Blättern des Herbar Willdenow in den Räumen des Botanischen GartensScreenshot aus dem Interview mit Dr. Walter Lack
Die Geschichte der Freien Universität Berlin begann vergleichsweise spät: 1948. Sie setzt aber Wissenschaftstraditionen fort, die sich in Berlin schon vor Jahrhunderten entwickelten. Die Sammlung von Carl Ludwig Willdenow etwa gehört seit über 200 Jahren zum Bestand des Botanischen Gartens und bietet eine Fülle von Material, an dem immer noch geforscht wird.
Online-Ausstellung „Erlebte Geschichte. Menschen erzählen – Leben mit der Freien Universität Berlin“ und digitale Interview-Sammlung am 30.11.23 veröffentlicht
Die Geschichte der Freien Universität Berlin ist so eng wie die kaum einer anderen deutschen Hochschule mit der Nachkriegsgeschichte Berlins und der Bundesrepublik verwoben. Gegründet 1948 im Westen der geteilten Stadt, wurde und wird die Freie Universität geprägt durch die Menschen, die hier arbeiteten, lehrten und studierten – und die ihr in wechselvollen Zeiten ein unverwechselbares Gesicht verliehen haben.
Das Oral-History-Projekt „Erlebte Geschichte“, das seit Anfang 2019 vom Team Digitale Interview-Sammlungen an der Universitätsbibliothek erarbeitet wurde, dokumentiert, erschließt und präsentiert die Erinnerungen einer Vielzahl dieser Menschen in lebensgeschichtlichen Video-Interviews: Präsidenten und Professor*innen, ehemalige Studierende, Laborangestellte, Tierpfleger*innen, wissenschaftliche Mitarbeitende, Bibliotheksbeschäftigte oder Angehörige der Universitätsverwaltung berichten darin von ihrem Leben (nicht nur) an der Freien Universität und davon, wie sie diese Hochschule mitgestaltet haben.
Daraus entstanden ist eine in der deutschen Hochschullandschaft bisher wohl einzigartige Sammlung sowie die Online-Ausstellung „Erlebte Geschichte. Menschen erzählen – Leben mit der Freien Universität Berlin“, die auf vielfältige Weise die Wechselwirkung zwischen Biographie und Geschichte der Institution veranschaulicht: Ein lebendiges Stück Universitätsgeschichte – von den Gründungstagen bis in die Gegenwart.
v. l. n. r.: Studentenausweis Dieter Großklaus, 1953; Foto: privat. / Prof. Dr. Klaus Kisker, Professor für Volkswirtschaftslehre, 2018; Foto: Doris Tausendfreund. / Universitätsangehörige im Hörsaal, ca. 1980–1990; Universitätsarchiv; Foto: Inge Kundel-Saro. / Dr. habil. Eva Strommenger-Nagel, Gründungsstudentin der Freien Universität und Privatdozentin für Altertumskunde, 2018; Foto: Doris Tausendfreund.
25 biografische Porträtfilme laden dazu ein, die Entwicklung der Freien Universität Berlin anhand einer Vielzahl individueller Erzählungen nachzuerleben. 75 kuratierte Themenfilme nehmen wichtige Stationen und Aspekte der Universitätsgeschichte in den Fokus – von der Gründungszeit über die Jahre des Mauerbaus, die Studentenbewegung der 1960er Jahre oder die Lage nach der deutschen Wiedervereinigung bis zur internationalen Exzellenz-Universität von heute. Ein Zeitstrahl setzt die Entwicklung an der Freien Universität in den Kontext historischer Ereignisse deutschland- und weltweit.
Der Online-Ausstellung zugrunde liegt das Interview-Archiv, in dem die ungeschnittenen Video-Interviews in voller Länge transkribiert, umfassend inhaltlich erschlossen sowie mit zusätzlichen Dokumenten und Materialien angereichert sind. Das Archiv, das bisher 75 lebensgeschichtliche Video-Interviews mit ehemaligen und noch aktiven Universitätsangehörigen umfasst, bietet insbesondere für wissenschaftliches Arbeiten eine reiche Quellensammlung, die Forschenden und historisch Interessierten nach einer Registrierung zugänglich ist.
Dr. habil. Eva Strommenger-Nagel, Gründungsstudentin und Privatdozentin für Altertumskunde. 1956 in einer Ausgrabungsstätte im Irak. Foto: privat.Eva Strommenger-Nagel, 1951/52 mit Kommilitonen. Foto: privat.Eva Strommenger-Nagel, 2018 im Interview für „Erlebte Geschichte“. Foto: Doris Tausendfreund.
Anlässlich des 75-jährigen Gründungsjubiläums der Freien Universität werden die Ergebnisse des Projekts am 30. November 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Für Kurzentschlossene: Die Eröffnungsveranstaltung mit Präsentation und Podiumsdiskussion um 17:00 Uhr in der Rostlaube, Habelschwerdter Allee, Hörsaal 1b ist öffentlich – alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Die Veranstaltung kann auch per Live-Stream verfolgt werden.