
Anfang dieser Woche ist im Frankfurter Römer der Deutsche Buchpreis für den besten „Roman des Jahres“ verliehen worden. War 2024 noch die Leipzigerin Martina Hefter (Hey guten Morgen, wie geht es dir?) erfolgreich, ging die Auszeichnung des Deutschen Buchhandels nun an Dorothee Elmiger für Die Holländerinnen (im Bibliotheksportal Primo vormerkbar). Der Titel erschien im August im Hanser Verlag. Die Schweizer Autorin und Übersetzerin, die mittlerweile in New York lebt, ist keine Unbekannte für unsere Hochschule – sie studierte Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Luzern und der Freien Universität Berlin und war im Wintersemester 2021/22 Samuel-Fischer-Gastprofessorin.
Protagonistin in Elmigers Roman ist eine namenlose Schriftstellerin, die sich mit einem Theaterregisseur und Gefolge auf eine Expedition nach Panama begibt. Anlass für die Reise ist der (tatsächlich zugetragene) mysteriöse Tod zweier niederländischer Touristinnen, die im Jahr 2014 der „Pianista Trail“ zum Verhängnis wurde (vgl. englischsprachigen Wikipedia-Artikel). Je tiefer es für die Gruppe um die Autorin in den Dschungel geht, desto mehr verliert sie ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Um das Unbegreifliche für die Leser*innen erfahrbar zu machen, griff Elmiger in ihrem 160-seitigen Text häufig zum Konjunktiv. Sie interessierte das „Nicht-Wissen“ und verbindet in ihrem Roman Collagen, Zitate und Fragmente. Die Literaturkritik zog Vergleiche zu Joseph Conrads Herz der Finsternis sowie zu Werken W. G. Sebalds, True-Crime-Büchern, Filmen Werner Herzogs und sogar zum Horrorstreifen Blair Witch Project. Aufgrund des großen Interesses nach der Preisverleihung ist Die Holländerinnen zeitweise nicht lieferbar.
„Je tiefer sie sich im Dickicht und Morast verläuft, desto mehr reißt Elmiger die Leser*innen in einen Sog der Angst. Ihr Roman erzählt von Menschen, die in ihr ‚dunkelstes Gegenteil‘ verfallen. Indirekt ist dabei nicht nur Elmigers Sprache, sondern auch ihr Verweis auf unsere Gegenwart, die Schritt für Schritt in Selbstüberhebung versinkt. Elmigers Stil ist gleichzeitig distanziert und doch fesselnd. Die Holländerinnen – Ein faszinierender Trip ins Herz der Finsternis.“
Auszug aus der offiziellen Begründung der Buchpreis-Jury
Dorothee Elmiger darf sich über ein Preisgeld von 25.000 Euro freuen. Ihre fünf Mitfinalist*innen auf der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro, darunter der mitfavorisierte FU-Alumni Thomas Melle.
- Kaleb Erdmann – Die Ausweichschule (park x ullstein, Juli 2025)
- Jehona Kicaj – ë (Wallstein Verlag, Juli 2025)
- Thomas Melle – Haus zur Sonne (Verlag Kiepenheuer & Witsch, August 2025)
- Fiona Sironic – Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft (Ecco Verlag, März 2025)
- Christine Wunnicke – Wachs (Berenberg Verlag, März 2025)
Für den Hanser Verlag ist es die zweite Ehrung nach Arno Geigers Es geht uns gut, der bei der ersten Verleihung 2005 siegreich war. Werke von den mehrfach in der Vergangenheit ausgezeichneten Verlagen Suhrkamp, Rowohlt oder S. Fischer waren für die Shortlist unberücksichtigt geblieben.

Beginn der Frankfurter Buchmesse und Ehrung für Karl Schlögel
Traditionell startet zwei Tage nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises die Frankfurter Buchmesse. Bis 19. Oktober werden 200.000 Besucher*innen und mehr als 1000 Autor*innen erwartet. Über 4000 Aussteller aus 95 Ländern sind für die 77. Auflage gemeldet. Gastland dieses Jahr sind die Philippinen.
Am letzten Messetag wird außerdem in der Frankfurter Paulskirche dem deutschen Historiker und Essayisten Karl Schlögel der Friedenspreis des deutschen Buchhandels überreicht. Laut Jurybegründung habe er als einer der Ersten „vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins und seinem autoritär-nationalistischen Machtanspruch gewarnt“. Im Jahr 2018 wurde sein Sachbuch Das sowjetische Jahrhundert mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Schlögel mahnt, dass es „ohne eine freie Ukraine […] keinen Frieden in Europa geben“ könne. Viele seiner Werke sind in Primo als E-Book vorrätig.
Schlögel studierte ab 1969 an der Freien Universität Berlin osteuropäische Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik. 1981 promovierte er dort auch zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Arbeiterkonflikte in der poststalinistischen Sowjetunion.


