Bibliotheken und das Oscar-Rennen

Am 15. März gab die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) die alljährlichen Oscar-Nominierungen bekannt. Als mögliche Namensgeberin für den wohl berühmtesten Filmpreis wird laut Wikipedia noch immer die AMPAS-Bibliothekarin Margaret Herrick (1902-1976) gehandelt. Sie soll angeblich bei der Betrachtung der noch namenlosen Trophäe ausgerufen haben, dass diese ihrem „Onkel Oscar“ ähnele.

Alljährlich greift aber auch die in Los Angeles beheimatete University of Southern California (USC) mit dem USC Libraries Scripter Award aktiv ins Oscar-Geschehen mit ein. Seit 1988 wird die beste Kinoadaption eines literarischen Werkes preisgekrönt. Die Auszeichnung soll als Symbol für das Talent von Bibliotheken herhalten, gleichermaßen kreative und wissenschaftliche Leistung zu fördern. Ein eigens berufenes Komitee aus preisgekrönten Drehbuchautoren, Angehörigen der Filmindustrie und Universitätsmitgliedern entscheidet über Nominierte und Gewinner. Die Preisverleihung selbst findet in der Regel im festlichen Rahmen im Los Angeles Times Reference Room der auf dem Universitätscampus beheimateten Edward L. Doheny Memorial Library statt.

Wer sich als eingefleischter Oscar-Fan jedes Jahr ans vorzeitige Tippen der Gewinnerinnen und Gewinner macht, sollte den USC Libraries Scripter Award durchaus als wertvollen Indikator für die Kategorie „Bestes adapatiertes Drehbuch“ im Blick haben. In den letzten 10 Jahren hatte der „Scripter Award“ eine 80-prozentige Trefferquote.

Preisträger 2021: Nomadland

Auch bei der letzten Verleihung am 13. März 2021, die pandemiebedingt virtuell veranstaltet werden musste, könnte man wieder erfolgreich die Oscar-Gewinnerin antizipiert haben. Das Preiskomitee um Greta Gerwig, Christopher Hampton, David Hare, Leonard Maltin, Michael Ondaatje, Eric Roth und Kenneth Turan vergab den Preis an das Skript Nomadland von der chinesisch-stämmigen Autorenfilmerin Chloé Zhao. In dem semi-fiktionalen Werk spielt Frances McDormand die 60-jährige Fern, die als Nomadin ohne festes Zuhause durch die USA reist und sich von Job zu Job hangelt. Das Roadmovie, das bereits mit dem Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig und zwei Golden Globe Awards preisgekrönt wurde, geht am 25. April mit sechs Nominierungen als Mitfavorit in die Oscar-Nacht.

Chloé Zhao (Bildquelle: vegafi, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA-4.0)

Doch Zhao ist nicht die einzige Gewinnerin. Den Statuten entsprechend ehrt der USC Libraries Scripter Award auch den Schöpfer der literarischen Vorlage. So findet man in der Siegerliste auch längst verstorbene Autorinnen und Autoren wie Jane Austen (Sinn und Sinnlichkeit, 1996), Solomon Northup (12 Years a Slave, 2014) oder Louisa May Alcott (Little Women, 2020). Im Fall von Nomadland ist die Co-Preisträgerin noch quicklebendig und bedankte sich herzlich für die Auszeichnung, auch wenn der lange Preisname nicht ganz flüssig über ihre Lippen kam (vgl. Video zur Preisverleihung, ab 1:05 h ff.). Für das 2017 erschienene Sachbuch Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century (ausleihbar in der JFKI-Bibliothek) legte die New Yorker Journalistin Jessica Bruder eine Strecke von über 24.000 km zurück – von Ost- zur Westküste, von der nördlichen zur südlichen US-Grenze. Drei Jahre lang begleitete sie in ihrem Camper die sogenannten „workampers“, die ihre reguläre Jobs verloren, keine finanziellen Polster haben oder unter gesundheitlichen Probleme leiden. Deshalb bemühen sie sich um saisonale Arbeit in der Landwirtschaft oder ergattern Ferienjobs bei großen Konzernen wie Amazon.

Mit der Verlinkung auf einen Wikipedia-Eintrag hat dieser Beitrag begonnen, mit einem Eintrag auf einem Wikipedia-Artikel endet dieses Posting. Doch diesmal stammt der Eintrag aus unserer eigenen Feder. Kurz nach Ende der Aktion „1Lib1Ref“ hat die Universitätsbibliothek sich für ein eigenes Benutzerkonto registriert und das Lemma „USC Libraries Scripter Award“ ist unser erster Artikel. Passend zum 20-jährigen Jubiläum der Online-Enzyklopädie in dieser Woche. Happy Birthday, Wikipedia! Einen passenderes Geschenk kann es wahrscheinlich nicht geben 😉 …

(Bildquelle Titelbild: Pixabay.com)

„Fliegende Bücher“ dürfen auf Oscar hoffen

Diese Woche wurden in Hollywood die Oscar-Nominierungen bekanntgegeben. Neben der favorisierten Stummfilm-Hommage The Artist oder Wim Wenders 3D-Dokumentation Pina darf sich auch der animierte Kurzfilm The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore der beiden US-Amerikaner William Joyce und Brandon Oldenburg Hoffnungen auf den renommierten Filmpreis machen. Der Link zum 15-minütigen Streifen, der seit dieser Woche kostenfrei in Netz zu sehen ist, ging schon durch diverse Biblioblogs und soll auch hier nicht verschwiegen werden. Der Titel hält auf alle Fälle, was er verspricht. Hier die englischsprachige Originalbeschreibung zum Film, der gänzlich ohne Dialog auskommt:

Inspired in equal measures, by Hurricane Katrina, Buster Keaton, The Wizard of Oz, and a love for books, “Morris Lessmore” is a story of people who devote their lives to books and books who return the favor. The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore is a poignant, humorous allegory about the curative powers of story. Using a variety of techniques (miniatures, computer animation, 2D animation), award-winning author/illustrator William Joyce and Co-director Brandon Oldenburg present a hybrid style of animation that harkens back to silent films and M-G-M Technicolor musicals.“Morris Lessmore” is old-fashioned and cutting edge at the same time.

Bei dem Film handelt es sich um die erste Produktion des Animationsstudios Moonbot. Koregisseur Joyce hat früher bei Pixar gearbeitet, was man dem Film deutlich anmerkt. Als Vorlage für die bibliophile Titelfigur diente übrigens William C. Morris († 2003), der mehrere Jahrzehnte lang die Kinderbuchabteilung des Verlags HarperCollins leitete und auch Ansprechpartner für US-amerikanische Bibliotheken war. Die Oscars werden am 26. Februar vergeben.

Update: Die fliegenden Bücher haben sich gegen die Konkurrenz durchsetzen können, allerdings ist nach der Mission Oscar der Film aus dem Netz genommen worden …