25 Jahre lang interviewte die deutsche Filmemacherin und Autorin Loretta Walz Überlebende des KZ Ravensbrück, das als größtes Frauenkonzentrationslager im deutschen Reich gilt. Ein Teil des gesammelten Videomaterials steht seit kurzer Zeit kostenfrei im Online-Videoarchiv Die Frauen von Ravensbrück zur Verfügung – unser Link des Monats Oktober. Mehr als fünfzig Protagonisten aus Europa mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen geben hier Einblick in ihre Lebensgeschichten.
Kategorie: Ins Netz geschaut
Deutscher Buchpreis an Melinda Nadj Abonji
Nachdem in den Vorjahren Deutsche und Österreicher triumphierten geht 2010 der Deutsche Buchpreis erstmals in die Schweiz – Melinda Nadj Abonji wurde für Tauben fliegen auf ausgezeichnet. Die Tochter serbisch-ungarischer Gastarbeiter wurde in der Vojvodina geboren. Sie zog mit viereinhalb Jahren in die Schweiz, studierte in Zürich und machte sich neben dem Schreiben auch als Musikerin und Performance-Künstlerin einen Namen.
Abonjis zweiter Roman ist autobiografischen Ursprungs und stellt die junge Ildiko in den Mittelpunkt, die mit ihrer Familie aus der Vojvodina in die Schweiz emigriert. Dort erarbeiten sich die Eltern ein Café. Obwohl die Familie nicht aneckt und nicht auffällt, bleiben sie „die Jugos“ in der neuen Heimat. Die Sehnsucht nach dem Balkan wird durch die Jugoslawienkriege getrübt. Das Buch gebe laut Jurybegründung das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat.
Melinda Nadj Abonji setzte sich im Finale gegen Jan Faktor (Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag), Thomas Lehr (September. Fata Morgana), Doron Rabinovici (Andernorts), den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek (Rabenliebe) und Judith Zander (Dinge, die wir heute sagten) durch. Am 14. November hat die 42-jährige Autorin auch die Möglichkeit auf dem Literaturfestival BuchBasel mit dem seit 2008 vergebenen Schweizer Buchpreis ausgezeichnet zu werden. Ob sich die Schweizer Jury von der Preisverleihung in Deutschland beeindrucken lässt? Kostenfreie Leseproben aller Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an. Alle Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden.
Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro dotiert. Im letzten Jahr hatte die deutsche Autorin Kathrin Schmidt (Du stirbst nicht) triumphiert.
Internationales Literaturfestival in der Hauptstadt
Mit dem internationalen literaturfestival berlin (ilb) beginnt ab Mittwoch, den 15. September, ein Mammutprogramm um zeitgenössische Prosa und Lyrik aus aller Welt. Bis zum 25. September sind in Berlin über 230 Veranstaltungen angesagt, an denen 270 Autoren aus 65 Ländern teilnehmen sollen. Hauptveranstaltungsort ist das Haus der Kulturen der Welt.
Das Festival, das zum zehnten Mal von der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e. V. und den Berliner Festspielen veranstaltet wird, teilt sich in verschiedene Sparten (s. offizielles Festivalprogramm). Im Programm „Literaturen der Welt“ treten international so bekannten Autoren wie der preisgekrönte irische Krimischriftsteller Ken Bruen, der Somalier Nuruddin Farah, der US-Amerikaner Joshua Ferris (Wir waren unsterblich), der Spanier Juan Goytisolo, der chinesische Regimekritiker Liao Yiwu oder Alberto Manguel (Die Bibliothek bei Nacht) in Erscheinung. Eine eigene Sparte widmet sich dem Austausch mit osteuropäischer Literatur, die 2010 im Fokus steht. Eine weitere Sparte ist für aktueller Kinder- und Jugendliteratur vorgesehen. Ausländische Autoren tragen ihre Texte auszugsweise in ihrer Muttersprache vor. Anschließend lesen Schauspieler die deutsche Übersetzung. Dolmetscher ermöglichen den Austausch zwischen Autor und Publikum.
Ergänzt wird das Angebot um szenische Lesungen, politische Diskussionen, Konzerte, Ausstellungen sowie Filmvorführungen. Am 21. September steht außerdem ein Weltrekordversuch an – zum Internationalen Tag des Friedens soll unter dem Motto „authors for peace“ (www.authorsforpeace.com) live eine 24-stündige Online-Lesung abgehalten werden, bei der Autoren aus aller Welt ihre Solidarität mit den Opfern des Krieges bekunden.
Danke für das Bild an WikiCommons!
Bibliotheken vs. Naturgewalten
Was für verheerende Zerstörungen Erdbeben verursachen können, ist aktuell in einer Diaschau der University of Christchurch zu sehen (via LISNews). Das Beben, das vor wenigen Tagen die neuseeländische Südinsel erschütterte und mehrere Menschen verletzte, machte auch nicht vor der Universitätsbibliothek bzw. dem gesamten Campus halt.
Noch erschreckender visualisiert werden die Kräfte von Erdbeben durch ein Video, das Mitte August von den Leiterinnen der haitianischen Nationalbibliothek auf der Konferenz des Internationalen Verbands der bibliothekarischen Vereine und Institutionen (kurz IFLA) in Stockholm präsentiert wurde. Es enthält Mitschnitte der Sicherheitskameras vom Beben am 12. Januar 2010, durch das schätzungsweise zwischen 250.000 und 300.000 Menschen ums Leben kamen.
Deutscher Buchpreis 2010: Shortlist veröffentlicht
Wie bereits vor einigen Wochen im BiblioBlog angekündigt, ist heute die Shortlist für den Deutschen Buchpreis bekannt gegeben worden. Die Jury um Ulrich Greiner (Die Zeit) und Burkhard Müller (Süddeutsche Zeitung) stand vor der nicht leichten Aufgabe, sich von 14 der 20 vorausgewählten Titel zu trennen.
Folgende sechs Romane haben die Chance zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 4. Oktober 2010 ausgezeichnet zu werden:
– Jan Faktor: Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag
– Thomas Lehr: September. Fata Morgana
– Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf
– Doron Rabinovici: Andernorts
– Peter Wawerzinek: Rabenliebe
– Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten
Auf Wawerzinek und Zander wurde man vor einigen Monaten bei der Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises aufmerksam. Ersterer, gewann den Wettbewerb mit der Aufarbeitung seines Lebens als DDR-Waise, während bei Zanders Debütroman die Rückkehr einer Tochter in die vorpommersche Provinz in den Mittelpunkt rückt.
Ebenfalls die Rückkehr als Thema hat sich die Schweizer Künstlerin Melinda Nadj Abonji ausgesucht. In Tauben fliegen auf schildert sie die Besuche einer serbischen Familie in ihrem Heimatdorf, die vor Jahren in die Schweiz übergesiedelt ist. Thomas Lehr rückt in September. Fata Morgana die Schicksale zweier Frauen in den Blickpunkt, die bei Terroranschlägen in New York und Bagdad ums Leben gekommen sind. Doron Rabinovici blickt in Andernorts auf die Geheimnisse einer jüdischen Familie, während man bei Jan Faktors Entwicklungsroman mit dem etwas seltsamen Titel vom Ich-Erzähler ins Prag der 1960er Jahre begleitet wird.
Die Bücher von Faktor, Rabinovici und Wawerzinek sind im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden. Kostenfreie Leseproben aller Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an.
Link des Monats September 2010: Deutsches Wörterbuch der Gebrüder Grimm
Jacob und Wilhelm Grimm haben sich nicht nur durch die Sammlung von Märchen einen Namen gemacht. Im Jahr 1838 begannen die beiden Sprachwissenschaftler mit der Arbeit am Deutschen Wörterbuch, das die Bedeutungsgeschichte alle Wörter „von Luther bis Goethe“ aufzeigen sollte. Das „DWB“ entwickelte sich zum größten und umfassendsten Wörterbuch aller deutschen Wörter seit dem 16. Jh. und liegt seit 2007 in einer kostenfreien Internet-Ausgabe vor – unser Link des Monats September.
Bild: Detail aus dem Titelblatt des ersten Bandes (1854)
Kuriose Buchtitel zum Dritten
Zum Dritten Mal in Folge suchen Schotts Sammelsurium und das Branchenblatt BuchMarkt den kuriosesten Buchtitel des Jahres. Angelehnt an den Wettbewerb um den Deutschen Buchpreis, wurde letzte Woche eine Longlist mit 20 Titeln präsentiert, die sich aus Leservorschlägen zusammensetzt.
Bis zum 20. September hat man nun die einmalige Gelegenheit, den Nachfolger von „Begegnungen mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer“ (Sieger 2008, Autor: Stephan Harbort) und „Das Leben ist keine Waldorfschule” (2009, Mischa-Sarim Vérollet) zu küren. Mittels einer offenen Internet-Abstimmung werden die sechs beliebtesten Titel ermittelt. Aus dieser Shortlist wählt eine Jury bestehend aus den Autoren Eckart von Hirschhausen, Bodo Mrozek und der ZDF-Aspekte-Moderatorin Luzia Braun den kuriosesten Buchtitel des Jahres 2010 aus. Der Gewinner wird am 6. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben.
Gegenwärtig führt in der Publikumsgunst der „Nichtamtliche Leitfaden zur Bewältigung von Projekten und zur Abweisung diesbezüglicher Irrtümer Oder: Regeln für Hans-Peter“ (Frank Buddrus), gefolgt von „An dem Tag, als ich meine Friseuse küsste, sind viele Vögel gestorben“ (Josef Kleindienst) und „Der Tod auf der Schippe Oder was Archäologen sonst so finden“ (Angelika Franz).
Auch ein regulär für den Deutschen Buchpreis nominierter Titel hat erstmals Chancen – Jan Faktors Entwicklungsroman „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“ steht auf der Longlist. Im Gegensatz zu 25.000 Euro Preisgeld und viel kostenfreier PR wartet auf Faktor bei der Wahl zum kuriosesten Buchtitel wohl wie in den Vorjahren „nur“ eine Flasche Champagner als eventuelle Siegesprämie (und ein kleines bisschen kostenlose PR).
Longlist für den Deutschen Buchpreis 2010 veröffentlicht
Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat gestern die 20 nominierten Romane für den Deutschen Buchpreis bekannt gegeben. Erst seit 2005 verliehen, gilt die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize.
In diesem Jahr treffen die Werke von 15 Deutschen, zwei Österreichern, einer Georgierin, einer Russin und einer Schweizerin aufeinander, darunter der diesjährige Ingeborg-Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek (Rabenliebe) sowie der amtierende Corine-Preisträger Hans Joachim Schädlich (Kokoschkins Reise).
Die Longlist wird am 8. September 2010 von der Jury um Ulrich Greiner (Die Zeit) und Burkhard Müller (Süddeutsche Zeitung) auf sechs finale Romane reduziert, die sogenannte „Shortlist“. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 4. Oktober 2010 statt.
Kostenfreie Leseproben der teilweise noch nicht im Buchhandel erschienen Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an. Wie in den Jahren zuvor wird auch ein Buch mit den Romanauszügen sowie Hintergrundinfos zu den Werken veröffentlicht werden.
Link des Monats August 2010: Los Superdemokraticos
„Wir machen eine Revolution von der Küche und von Wohnzimmer aus, wie unsere Großmütter“ – die Initiatoren von „Los Superdemokraticos“ geben sich selbstbewusst. Seit Mitte Juni 2010 wird das zweisprachige literarische Blog betrieben, unser Link des Monats August. Bis Oktober gehen deutsche und lateinamerikanische Autorinnen und Autoren ihren Gedanken nach und reflektieren ihr Leben in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Deutschland, Guatemala, Israel, Kuba, Mexiko, Peru, Uruguay, USA und Venezuela.
Erste Flughafenbibliothek der Welt eröffnet
Überall auf der Welt trifft man auf Bibliotheken, doch auf einem internationalen Flughafen hatte sich bisher noch keine angesiedelt. Dies ist seit dieser Woche Geschichte – am Dienstag nahm auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol die erste „Airport Library“ ihren Betrieb auf, wie der holländische Blogger Hans van Velzen berichtet.
Bei der Flughafenbibliothek handelt es sich um ein Projekt der öffentlichen Bibliotheken Amsterdams (OBA), das gemeinsam mit der niederländischen Organisation für öffentliche Bibliotheken (ProBiblio) und dem holländischen Kulturministerium initiiert wurde. Abfliegende und ankommende Passagiere können sich von nun an mit übersetzten Romanen, Kunstbänden, Kurzgeschichten und Gedichten aus dem Niederländischen die Wartezeit vertreiben. Zusätzlich etwas holländische Kultur lässt sich durch Musik oder Filme via iPad aneignen, die man auch herunterladen kann sowie zwei große Bildleinwände.
Bücher mit ins Flugzeug oder nach Hause nehmen kann man jedoch nicht – bei der Airport Library handelt es sich um eine reine Präsenzbibliothek. Ein erstes unscharfes Foto von den Räumlichkeiten gibt es bei twitpic zu bestaunen. Mehr Bilder und Informationen gibt es bei den Kollegen von bibliothekarisch.de, die bereits Mitte Mai über die bevorstehende Eröffnung informierten (und über den ersten „Flughafenbibliotheksverbund“ sinnierten ). Die feierliche Eröffnung steht übrigens noch aus und soll laut literatuurplein.nl am 25. August durch die holländische Prinzessin Laurentien erfolgen.