Wikipedia aus Protest offline

Wer heute in der deutschsprachigen Wikipedia nachschlagen möchte, wird durch eine Protestnote daran gehindert. Seit Mitternacht ist das beliebte Mitmach-Lexikon komplett abgeschaltet, allerdings „nur“ für einen Tag, wie bereits letzte Woche im Blog des Vereins Wikimedia Deutschland zu lesen war. Protestiert wird gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform, über die nächste Woche im Europäischen Parlament abgestimmt werden soll.

Anfang März 2019 hatten sich in einem Meinungsbild (Link ist erst ab Freitag wieder abrufbar) zwei Drittel von 222 registrierten Mitgliedern für einen Protest ausgesprochen. Kritisiert werden vor allem die Artikel 11 und 13 des geplanten Gesetzes. Paragraf 11 sieht ein strenges Leistungsschutzrecht für Presseverleger vor. Zukünftig würde für die Nutzung kleinster Ausschnitte journalistischer Inhalte im Netz zwingend die Lizenz des Verlegers benötigt. Davon wären beispielsweise die über soziale Medien gern geteilten automatischen Previews bzw. Snippets zu Nachrichten-Artikeln mit Bild und Textausschnitt betroffen. Mit Artikel 13 sollen zukünftig kommerzielle Apps und Online-Plattformen in die Pflicht genommen werden, hochgeladene Beiträge ihrer Mitglieder vorab auf urheberrechtlich geschütztes Material zu prüfen. Dies wäre technisch nur mit sogenannten Upload-Filtern möglich. Diese Computerprogramme gelten aber als fehleranfällig und könnten auch reguläre Beiträge blockieren. Die Wikipedia-Community fürchtet also, dass die geplante EU-Reform dazu führen könnte, dass das freie Internet erheblich eingeschränkt wirkt. Die Kritik wird u. a. auch vom Deutschen Bibliotheksverband (dbv) geteilt, der die Urheberrechtsreform im Widerspruch zu bibliothekarischen Werten sieht.

Doch was tun, falls man heute in die Verlegenheit kommt, einen Begriff nachzuschlagen? Biblioblog präsentiert vier Alternativen, um den Tag zu überstehen:

    1.  Wikipedia-App: Aufgrund des technischen Aufwands war es  nicht möglich, den Protest auch auf die App-Versionen zu übertragen. Man kann sie nach wie vor in den bekannten App Stores (z. B. iOS-Version via App Store oder Android-Version via Google) herunterladen und regulär benutzen. Wer vorab die App bereits installiert hatte und diese auch als Standard beim Nachschlagen ausgewählt hat, wird kaum etwas von dem heutigen Protest mitbekommen, es sei denn, man versucht die Wikipedia-Startseite zu besuchen.
    2. Andere Wikipedia-Sprachversion nutzen: Wikipedia existiert in fast 300 Sprachen. Von der Abschaltung sind „nur“ die deutsche Version bzw. Versionen in deutschsprachigen Dialekten (vgl. Alemannische Wikipedia) betroffen. Via www.wikipedia.org lässt sich beispielsweise die englischsprachige Version ohne Einschränkung nutzen, die aufgrund der zahlenmäßig größeren Sprachgemeinschaft mit 5,8 Mio. Artikeln mehr als doppelt so viele Inhalte bietet.
    3. Mirror nutzen: Die Wikipedia-Inhalte unterliegen einer Creative-Commons-Lizenz, die u. a. die Weitergabe unter gleichen Bedingungen, auch für kommerzielle Projekte, erlaubt. Viele Dienste haben sich das zu Nutze gemacht und präsentieren Original-Wikipedia-Artikel einfach unter einem anderen Layout. So hat beispielsweise das Zentrum für Bildungsinformatik der Pädagogischen Hochschule Bern mit Wikibu.ch einen Mirror geschaffen, der Hilfestellung bei der Qualitätseinschätzung von Artikeln gibt (für Details siehe Artikel im Biblioblog 07/2009).
    4. Alternativen nutzen: Vom Umfang und der Beliebtheit  her kann es wohl kein anderer Anbieter mit der deutschsprachigen Wikipedia aufnehmen. Aktuell umfasst sie etwa 2,3. Mio. Artikel und wird ca. 30 Mio. Mal am Tag aufgerufen. Man muss nicht gleich zur analogen Alternative greifen, wie sueddeutsche.de in einem gestrigen Artikel skandierte. Die FU Berlin verzeichnet in ihrem Datenbank-Infosystem (DBIS) mehr als 2100 lizenzpflichtige und freie Online-Ressourcen, darunter zahlreiche Fachenzyklopädien. Munzinger Online wartet beispielsweise mit redaktionell aufbereiteten Länderprofilen, einem Gedenktage-Kalender oder Biografien auf. Wer im Bereich Literatur recherchiert, kommt kaum am Killy, Kindlers Literatur-Lexikon oder an der Verfasser-Datenbank vorbei. Das ebenfalls von der FU lizenzierte World Biographical Information System umfasst rund 8,5 Millionen biografische Artikel zu mehr als sechs Millionen Personen aus etwa 8.600 Nachschlagewerken, die vom 16. bis zum Beginn des 21. Jahrhundert reichen. Wer des Englischen mächtig ist, kann auf das kostenfreie Online-Angebot der altehrwürdigen Encyclopædia Britannica ausweichen.
Bild: Lane Hartwell (abgeleitetes Werk; CC-BY-SA-3.0)

Bericht vom 1. Berliner Rundgespräch Open-Access-Bücher

Konzipiert und moderiert vom Open-Access-Büro Berlin fand am 10. September 2018 in der Uni-Bibliothek der TU Berlin das erste „Berliner Rundgespräch Open-Access-Bücher“ statt. Gesprochen wurde über die Veränderungen und die neuen Herausforderungen, welche die Open-Access-Transformation, vor allem im Hinblick auf Wissenschaftspublikationen, mit sich bringt.

Dazu trafen sich Vertreter der Universitätsbibliotheken der FU, HU und TU mit Mitarbeitern aus fünf Verlagen, die bereits Erfahrung im Bereich Open-Access-Bücher haben: Barbara Budrich, De Gruyter, Peter Lang, Transcript und WBV Media. Der Fokus dieses ersten Treffens lag auf den Themen: Geschäftsmodelle, Qualitätsstandards sowie Veränderte Beziehungen zwischen Verlagen, WissenschaftlerInnen und Bibliotheken.

Es wurde deutlich, dass die Fortsetzung des Dialogs sowie die Förderung von gegenseitigem Verständnis der beteiligten Akteure untereinander unverzichtbar sein werden für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Feld Open-Access-Monographien. Den Bericht des Austausches kann man auf dem UB-Blog der TU einsehen.

Vielfalt statt Macht – über Open-Source-Saatgut

Der Betrieb des „Dokumentationszentrums UN – EU“ wird eingestellt. Die entsprechende Literatur bleibt im Bestand und ist weiterhin zugänglich.

Quelle: pixabay.com/de/lebensmittel-frisch-obst-grün-1239195/ – CC0 License

Mit ihrer neuen Kampagne „Vielfalt statt Macht“ möchte die Heinrich-Böll-Stiftung die Open-Source-Bewegung vorantreiben und macht auf Open-Source-Saatgut aufmerksam. Doch was genau ist eigentlich Open-Source-Saatgut?

Unter einer Open-Source-Saatgut-Lizenz (die Lizenz wird beim Kauf des Saatguts „erworben“) versteht man Saatgut, welches nach den Prinzipien von Open Source gezüchtet und verbreitet werden kann. Dadurch wird die Möglichkeit gegeben, dass Nutzpflanzen sich vermehren und aus diesen wiederum neues Saatgut genutzt werden kann.

Das war bereits früher eine gängige Praxis bei Bauern, wurde aber durch patentiertes Saatgut der Agrarkonzerne unterbunden oder durch hybride Züchtungen verhindert. Problem bei hybridem Saatgut ist z.B. deutlicher Ertragsverlust von nachkommenden Pflanzen – bei Mais beispielsweise um etwa 30%.

Wer kann Open-Source-Saatgut nutzen?

Sie selbst. Auf mehreren Seiten finden Sie mittlerweile Möglichkeiten, Open-Source-Saatgut zu kaufen (wie hier). Bei der Nutzung müssen allerdings folgende drei Regeln eingehalten werden:

Regel 1: Jeder darf das Saatgut frei nutzen, es vermehren, weiterentwickeln, züchterisch bearbeiten und es im Rahmen bestehender Gesetze weitergeben.

Regel 2: Niemand darf das Saatgut und seine Weiterentwicklungen mit geistigen Eigentumsrechten wie Patenten und Sortenschutzrechten belegen.

Regel 3: Jeder Empfänger überträgt zukünftigen Nutzern des Saatguts und seinen Weiterentwicklungen die gleichen Rechte und Pflichten.

Wozu brauchen wir überhaupt Open-Source-Saatgut?

„Im Supermarkt finde ich doch alles was ich brauche.“ Das mag soweit stimmen, aber durch die Macht einiger wenige Konzerne, die Saatgut kontrollieren, ergibt sich der Preis zu welchem Produkte angeboten werden. Das wiederum führt zu Gestaltungsmacht und politischem Einfluss – was bereits bei lokalen Bauern anfängt, die das teure Saatgut kaufen müssen, was nur von den Agrar-Unternehmen angeboten wird.

Durch eine Vielfalt an Sorten und Pflanzen wird eine natürliche Widerstandskraft gegenüber extremen Wetterlagen geschaffen. Ernährung, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Vielfalt gehen also Hand in Hand.

Für weitere Informationen haben wir eine Auswahl an Publikationen für Sie zusammengestellt.

Agrar-Atlas – Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft – „Nicht ein Sektor ist so stark mit der Gestaltung von Lebensräumen verwoben wie die Landwirtschaft. Ändert sie sich, ändern sich auch die ökologischen und sozialen Systeme, die darin beheimatet sind. Schnell wandelt sich überall in Europa die Art, wie Äcker bewirtschaftet und Tiere gehalten werden. Vielerorts geben Betriebe auf. Die verbleibenden Höfe werden größer, und jeder Fleck wird möglichst intensiv genutzt.“

Fleischatlas 2018 – Rezepte für eine bessere Tierhaltung – „Kein anderer Sektor trägt so massiv zum Verlust der Artenvielfalt, der Rodung von Wäldern und der Zerstörung unseres Klimas, der Gefährdung unserer Gesundheitssysteme und zum Leid der Tiere bei wie die industrielle Fleischproduktion. Die Folgen sind wissenschaftlich belegt und Land auf und ab diskutiert. Jetzt ist es höchste Zeit zu handeln: Sollen die Ziele der globalen Nachhaltigkeitsagenda 2030 und das Pariser Klimaabkommen erreicht werden, muss die Fleischproduktion grundlegend umgebaut werden.“

Konzernatlas – Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie – „Wie ist die Situation am Saatgutmarkt? Bis vor kurzem dominierten sieben Unternehmen die weltweite Produktion von Pestiziden und Saatgut. Doch dieses Oligopol hat sich neu formiert – und die Zahl der Akteure ist geschrumpft. Die beiden US-Konzerne DuPont und Dow Chemical haben fusioniert, ChemChina hat Syngenta aus der Schweiz aufgekauft, und der deutsche Bayer-Konzern hat zuletzt Monsanto übernommen. Jetzt beherrschen drei Konzerne mehr als 60 Prozent der Märkte für kommerzielles Saatgut und für Agrarchemikalien. Sie bieten fast alle gentechnisch veränderten Pflanzen dieses Planeten an.“

Noch mehr Informationen zur UN/EU bekommen Sie in unserem Dokumentationszentrum UN-EU.

Noch 20 Türchen bis Weihnachten

Zum UB-Adventskalender ...
Zum UB-Adventskalender …

Traditionsgemäß präsentiert das Blog Bibliothekarisch.de jedes Jahr zur Weihnachtszeit eine Linkliste mit Online-Adventskalendern von Bibliotheken, Verlagen, Hochschulen usw. (teilweise auch mit kommerziellem Hintergrund). Auch wir als Universitätsbibliothek reihen uns 2018 erstmals in den Reigen mit ein – der UB-Adventskalender lädt zum Entdecken des reichhaltigen, digitalen Angebots des FU-Bibliothekssystems ein. Wer also meint, dem Alter der klassischen Schokoladen-Weihnachtskalender entwachsen zu sein, findet in der Zeit von Christstollen, Glühwein, Spekulatius & Co. mit Sicherheit passende kalorienärmere Varianten ? …

Start der Bewerbungsphase am College of Europe 2019/20

Der Betrieb des „Dokumentationszentrums UN – EU“ wird eingestellt. Die entsprechende Literatur bleibt im Bestand und ist weiterhin zugänglich.

Quelle: pexels.com – CC0 License

Liebe Leserinnen und Leser, für Sie zusammengestellt, einige Informationen zum Start der Bewerbungsphase für das College of Europe 2019/20.

Das College of Europe ist das älteste und renommierteste Institut für postgraduierte European Studies in Europa. Seit Gründung des College of Europe im Jahr 1949 haben viele Tausend Absolventinnen und Absolventen des European Studies-Programms erfolgreiche Karrieren in europäischen und internationalen Institutionen, Parlamenten, Unternehmen und Verbänden gestartet und auf diese Weise ein weltweites Netzwerk aus hochqualifizierten Alumni aufgebaut. Die enge Kooperation des College of Europe mit den Brüsseler Institutionen sowie der exzellente Ruf der fachlichen Lehre sorgen dafür, dass jährlich etwa 400 Studentinnen und Studenten aus mehr als 50 Ländern dieses erfolgreiche Netzwerk verstärken.

Europa spielt in der heutigen Welt eine immer wichtigere Rolle als regionaler und globaler Akteur. Ein Postgraduiertenstudium im Bereich European Studies bereitet optimal auf eine Karriere im europäischen und internationalen Kontext vor. Nationale und internationale Unternehmen und Organisationen setzen bereits heute auf eine hervorragende Europakompetenz. Das European Studies-Programm am College of Europe vermittelt diese Kompetenz in den Bereichen Wirtschaft, Recht, Internationale Beziehungen sowie Politik und Verwaltung.

Vom 26. Oktober bis zum 16. Januar sind Bewerbungen für das Studienjahr 2019/20 möglich. Das Studium dauert 10 Monate (Anfang September 2019 bis Ende Juni 2020). Für die Vergabe der etwa 30 deutschen Stipendien und Studienplätze am College of Europe ist die Europäische Bewegung Deutschland e. V. zuständig.

Bewerbungsvoraussetzungen:

Grundsätzliche Voraussetzung für die Bewerbung ist ein abgeschlossenes Diplom- bzw. Masterstudium oder ein gleichwertiger Studienabschluss (240 ECTS), insbesondere in den Fächern Rechts-, Wirtschafts-, Politik- und Verwaltungswissenschaften, Internationale Beziehungen, Europastudien, Geschichte, Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Journalismus und verwandten Fachbereichen. Das College of Europe Natolin richtet sich außerdem an Studierende der Sozial- und Sprachwissenschaften, Geographie und ähnlicher Fächer.

Auch Bachelor-Studenten mit 180 ECTS-Punkten können sich bewerben, sofern sie über die notwendigen fachlichen und persönlichen Qualifikationen für den Studiengang verfügen.

Alle weiteren Informationen zum Bewerbungsverfahren finden Sie unter: https://www.netzwerk-ebd.de/aktivitaeten/coe/bewerbung/

Noch mehr Informationen zur EU bekommen Sie in unserem Dokumentationszentrum UN-EU.

„Ex Libris: Die Public Library von New York“ – Dokumentarfilm von Frederick Wiseman

Pünktlich zum „Tag der Bibliotheken“ am 24. Oktober 2018 startet Frederick Wisemans neuer Dokumentarfilm „Ex Libris: Die Public Library von New York“ in den deutschen Kinos. Die Dokumentation gibt Einblick in das System der öffentlichen Bibliotheken der Stadt New York, das mit seiner 51 Millionen Medien umfassenden Sammlung eines der größten Bibliothekssysteme der Welt ist. Gemessen an der Zahl der Menschen, die entweder einen Bibliotheksausweis haben oder die Bildungs- und Informationsangebote nutzen, ist die Public Library mit 17 Millionen Besuchern mit großem Abstand die größte Bibliothek der Welt.

Steinerner Löwe vor dem Haupteingang der New York Public Library an der Fifth Avenue

Wiseman zeigt das vielfältige Geschehen der Public Library in seiner ihm eigenen Manier unkommentiert. Von der telefonischen Informationsanfrage, über die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, bis hin zu Diskussionen über den digitalen Wandel und die Rolle, die Bibliotheken darin spielen, um nur einen kleinen Einblick in die dreistündige Doku zu geben. Der Filmemacher zeigte sich selbst überrascht über die Diversität und den Umfang der bibliothekarischen Arbeit im Informationszeitalter und erkennt darin eine besondere Wichtigkeit: Mit einem Seitenhieb auf Trump stellt Wiseman fest, dass Bibliotheken „unabhängig von der aktuellen amerikanischen Politikszene […] ein Ideal der Inklusion, Demokratie und Meinungsfreiheit“ blieben (vgl.).

Im Zentrum der Werke Wisemans stehen zumeist Institutionen und ihre Strukturen. Das kann eine psychiatrische Klinik („Titicut Follies“), eine Universität („At Berkeley“) oder ein öffentlicher Park („Central Park“) sein. Der Amerikaner gilt als einer der bedeutendsten Dokumentarfilmer der Filmgeschichte, der diese Filmgattung nachhaltig prägte.

2017 wurde „Ex Libris – The New York Public Library“ bei dem Filmfestival von Venedig mit dem FIPRESCI-Preis der gleichnamigen internationalen Filmkritikervereinigung für den besten Wettbewerbsfilm ausgezeichnet. Wir berichteten. Sehen Sie hier den Trailer zum Film:

 

Auch die Universitätsbibliothek und das Bibliothekssystem der FU Berlin reagierten früh auf die digitale Transformation und bieten schon seit langem weit mehr als nur den Zugang zu wissenschaftlichen Texten. In den Lernangeboten der Uni-Bibliothek dreht sich alles darum, ihre NutzerInnen fit in Informationskompetenz zu machen – von der Einführung in das FU-eigene Bibliotheksportal Primo, über die Identifizierung wichtiger Fachliteratur, bis hin zum richtigen Zitieren oder der Arbeit mit Literaturverwaltungsprogrammen.

Deutscher Buchpreis 2018 – „Archipel” ist der Roman des Jahres 2018

Der Betrieb des „Dokumentationszentrums UN – EU“ wird eingestellt. Die entsprechende Literatur bleibt im Bestand und ist weiterhin zugänglich.

Seit dem 8. Oktober steht nun fest, welches Prosawerk der „Roman des Jahres” 2018 ist. Pünktlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse kürte der Börsenverein des deutschen Buchhandels Inger-Maria Mahlke mit ihrem Roman „Archipel” zur Gewinnerin.

In dem von der Gegenwart bis ins Jahr 1919 rückwärts erzählten Text beleuchtet die Autorin die zerklüftete Historie Spaniens anhand der Geschichte dreier Familien, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen. In der Begründung der Jury heißt es:

Der Archipel liegt am äußersten Rand Europas, Schauplatz ist die Insel Teneriffa. Gerade hier verdichten sich die Kolonialgeschichte und die Geschichte der europäischen Diktaturen im 20. Jahrhundert. […] Das Alltagsleben, eine beschädigte Landschaft, aber auch das Licht werden in der Sprache sinnlich erfahrbar.

Nachdem bereits letztes Jahr der sogenannte EU-Roman „Die Hauptstadt” von Robert Menasse mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, steht insgeheim auch in diesem Jahr Europa und seine Geschichte im Fokus. Inger-Maria Mahlke darf sich nun über das Preisgeld von 25.000 Euro freuen. In der FU Berlin ist die Schriftstellerin keine Unbekannte. Sie studierte an der Freien Universität Rechtswissenschaft.

Wenn Sie mehr Interesse an der EU und ihrer Geschichte haben, dann besuchen Sie doch unser Dokumentationszentrum UN-EU.

Deutscher Buchpreis 2018 – Die sechs Titel der Shortlist stehen fest

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat die sechs Finalisten des Deutschen Buchpreis bekanntgegeben. Vier Autorinnen und zwei Autoren konnten sich mit ihren Romanen unter knapp zweihundert Titeln durchsetzen. Damit überwiegt zum ersten Mal in der Geschichte des seit 2005 vergebenen Preises die Zahl der Autorinnen gegenüber der der Autoren.

Auf der Shortlist finden sich nun (UPDATE: 24.09.2018):

Als unausgesprochenes Motto über die deutschprachige Literatur dieses Jahres stünde der berühmte Satz William Faulkners: „Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen“, heißt es auf der offiziellen Website des Buchpreises. Alle diesjährigen Romane folgten „fabulierend, spekulierend, verspielt“ unterschiedlichen Spuren in die Vergangenheit und in „mythische Schichten der Wirklichkeit“.

Das sind die sechs Romane der Shortlist. Quelle: deutscher-buchpreis.de (© Christina Weiß)

Vor knapp vier Wochen hatte die siebenköpfige Jury, bestehend aus Christoph Bartmann ( Leiter des Goethe-Instituts Warschau), Luzia Braun (stellvertretende Leiterin des ZDF Kulturmagazins „aspekte“), Tanja Graf (Leiterin des Literaturhaus München), Paul Jandl (freier Kritiker), Uwe Kalkowski (Literaturblogger „Kaffeehaussitzer“), der Buchhändlerin Marianne Sax und Christine Lötscher bereits eine erste Longlist von 20 Titeln erstellt. Christin Lötscher ist die Sprecherin der Jury und als Fellow der Kolleg-Forschergruppe Cinepoetics mit der Freien Universität Berlin verbunden.

Unter den Finalisten tummeln sich drei ehemalige FU-Studenten

Doch die Jurysprecherin ist nicht die Einzige aus dem FU-Kosmos. Ganze drei Finalisten, also die Hälfte der Shortlist, sind ehemalige FU-Angehörige. Inger-Maria Mahlke studierte an der FU Rechtswissenschaft, Susanne Röckel Germanistik und Romanistik und Stephan Thome Sinologie. Die Chancen, dass der nächste oder die nächste GewinnerIn des Deutschen Buchpreises ein ehemaliges Mitglied der Freien Universität ist, stehen damit bei fünzig Prozent.

Wer genau als Siegerin oder Sieger das Preisgeld von 25.000 Euro mit nach Hause nehmen darf, wird am 8. Oktober 2018 bekanntgegeben. Dann nämlich wird wie jedes Jahr zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse der deutschsprachige „Roman des Jahres“ gekürt. Die anderen fünf Finalisten gehen aber nicht leer aus. Jeder von ihnen erhält 2.500 Euro.

2017 wurde der österreichische Schriftsteller Robert Menasse für seinen EU-Roman „Die Hauptstadt“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.

Longlist für den Deutschen Buchpreis 2018 veröffentlicht

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat heute die 20 nominierten Romane für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben. Seit 2005 verliehen, gilt die mit insgesamt 37.500 Euro dotierte Auszeichnung als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize.

In diesem Jahr treffen die Werke von zwölf Deutschen, zwei Schweizern, einem Österreicher sowie deutschsprachigen Autoren aus Argentinien, Georgien, Italien und Rumänien aufeinander. In Zeiten der „MeToo“-Debatte dominieren erstmals seit Einführung des Preises weibliche Romanciers die Longlist mit insgesamt zwölf Nennungen.

Wiedersehen mit Geiger und Loschütz

Unter den 20 Nominierten sind sechs schon mit dem Gefühl vertraut, mit einem Werk auf der Longlist zu stehen. Ein langes Warten auf’s Déjà-vu mussten zweifelsohne Arno Geiger und Gert Loschütz erdulden. Beide standen bei der ersten Verleihung des Deutschen Buchpreises 2005 auf der Shortlist – Loschütz, nominiert für seinen Erinnerungsroman Dunkle Gesellschaft musste sich damals Geigers beliebter Familiensaga Es geht uns gut geschlagen geben. 13 Jahre später können beide ihre jeweils zweite Nominierung feiern. Geiger folgt in seinem neuen, von der Kritik gefeierten Roman Unter der Drachenwand drei jungen und desillusionierten Menschen, die im Jahr  1944 auf das baldige Ende des verlorenen Krieges hoffen. Die Annäherung an die Figuren erfolgt u. a. durch fiktive Briefe und Tagebucheinträge. Loschütz berichtet vor dem Hintergrund der deutschen Teilung in Ein schönes Paar elegant und sensibel auf mehreren Zeitebenen von der Spurensuche eines Sohnes nach den Eltern, deren geglückte Flucht in den Westen scheinbar zum Ende aller Gemeinsamkeiten führte.

Klüssendorf und Thome zum dritten

Angelika Klüssendorf und Stephan Thome haben bereits zweimal auf der Shortlist gestanden, den Preis aber bislang nie erhalten. Klüssendorf setzt mit Jahre später ihre scheinbar semi-autobiografische Romantrilogie fort, die sie mit Das Mädchen (2011) und April (2014) begonnen hatte. Ihre ostdeutsche Heldin ist erwachsen geworden und geht eine Ehe mit einem westdeutschen Chirurgen ein – eine laut Buchpreisjury toxische Partnerschaft zwischen zwei radikalen Einzelgängern beginnt. Mit 160 Seiten ist Jahre später der schmalste Band unter den nominierten Werken, während Stephan Thomes noch nicht veröffentlichter Gott der Barbaren mit über 719 Seiten zu den längsten Werken zählt. Hatte sich der frühere Sinologie-Student an der FU in seinen zuvor nominierten Werken Grenzgang (2009) und Fliehkräfte (2012) noch Sittengemälden aus der Bundesrepublik zugewandt, folgt er nun einem jungen deutschen Missionar ins China des 19. Jahrhunderts, der sich der christlichen Aufstandsbewegung anschließt. Den längsten Roman mit 750 Seiten liefert die gebürtige Georgierin Nino Haratischwili mit Die Katze und der General ab. Die Geschichte um einen russischen Oligarchen, dessen dunkle Vergangenheit im Tschetschenienkrieg ihn bis nach Berlin einholt, ist für Ende August angekündigt. Mit ihrem Debütroman Juja war Haratischwili bereits 2010 auf der Longlist vertreten.

Von FU-Studenten und weiteren Literaturpreisen

Neben Stephan Thome wetteifern zwei weitere frühere FU-Angehörige um den Deutschen Buchpreis. Die studierte Rechtswissenschaftlerin Inger-Maria Mahlke (Shortlist 2015 mit Wie ihr wollt) schrieb laut Jury mit Archipel einen großen europäischen Roman, der auf der Insel Teneriffa spielt, wo die Autorin selbst auch aufwuchs. Die frühere Germanistik- und Romanistik-Studentin sowie Übersetzerin Susanne Röckel stellt in Der Vogelgott eine Familie in den Mittelpunkt, die zwischen Wissenschaft und Mythen hin- und hergerissen ist.

Nicht von der Jury berücksichtigt wurden u. a. die autobiografischen Romane von Bodo Kirchhoff (Dämmer und Aufruhr) und Michael Lentz (Schattenfroh: Ein Requiem) oder Karen Duves Roman Fräulein Nettes kurzer Sommer über die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848). Auch der diesjährigen Preisträgerin der Leipziger Buchmesse, Esther Kinsky (Hain: Geländeroman), blieb ein Platz auf der Longlist verwehrt. Stattdessen erhielten die in Leipzig nominierten Nachwuchsautoren Anja Kampmann (Wie hoch die Wasser steigen) und Matthias Senkel (Dunkle Zahlen) den Vorzug.

Bereits Preise einheimsen durften dagegen Gianna Molinari und Eckhart Nickel, die beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis 2017 mit ihren Romanauszügen Anerkennung gefunden hatten. Die Schweizerin Molinari, Jahrgang 1988 und damit die zweitjüngste Autorin nach Helene Hegemann (Bungalow in Erwerbung), ist die einzige Romandebütantin auf der Longlist. Sie hat ihren Klagenfurt-Text Loses Mappe zum Werk Hier ist noch alles möglich vollendet, der von einer jungen Nachtwächterin einer abgewickelten Verpackungsfabrik erzählt, die sich auf Wolfssuche begibt. In Eckhart Nickels Roman Hysteria (Textauszug zum Ingeborg-Bachmann-Preis) führt der zufällige Fund von merkwürdigen Himbeeren auf einem Biomarkt zu einem geheimen Kulinarischen Institut, dass alles Natürliche durch Kunstprodukte ersetzen will.

Die 20 Nominierten im Überblick
(UPDATE: 24.09.2018, verfügbare Titel sind verlinkt und überwiegend in der Philologischen Bibliothek bzw. teilweise auch in der  Universitätsbibliothek vorhanden):

Die Longlist wird am 11. September 2018 von der Jury um Sprecherin Christine Lötscher (freie Kritikerin), Christoph Bartmann (Goethe-Institut Warschau), Luzia Braun (ZDF), Tanja Graf (Literaturhaus München), Paul Jandl (freier Kritiker), Uwe Kalkowski (Literaturblogger) und die Buchhändlerin Marianne Sax auf sechs finale Romane reduziert, die sogenannte „Shortlist“. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober 2018 statt.

Zwar ist die kostenfreie App mit Artikelanfängen seit 2014 passé, aber über detektor.fm lassen sich nach und nach kostenfrei Auszüge aus den nominierten Romanen anhören (auch als App verfügbar). Wer nicht darauf warten will, findet auf der Webseite des Buchpreises unter den jeweiligen Romanprofilen alle bereits freigeschalteten Hörproben (zwischen 8-11 Minuten lang). Auch soll ab nächster Woche eine Taschenbuch (Deutscher Buchpreis 2018. Die Nominierten) mit Leseproben und Hintergrundinfos in ausgewählten Buchhandlungen erhältlich sein.

Von giftigen Lesesälen und der Frage nach der Toilette …

Unter dem Titel „Der Bibliotheksbau als Maschine“ blickte Ulrich Johannes Schneider in der letzten Samstagsausgabe der FAZ (7. Juli 2018, S. 20) auf die Architekturgeschichte der Lesesäle. Der Autor, der gleichzeitig auch Direktor der Universitätsbibliothek Albertina in Leipzig ist, beginnt beim französischen Architekten Henri Labrouste (1801-1875) und weiß in der Folge u. a. von kühlen Köpfen, warmen Füßen, gefürchteten „Museumsfliegen“, Sauerstoffmangel und einem genervten Karl Marx zu berichten. Auch der häufig gestellten Frage nach der Toilette räumt Schneider Platz ein 😉 …

Vorläufer des modernen Bibliotheksbaus: Der Lesesaal der Pariser Bibliothèque Sainte-Geneviève (Bild: Marie-Lan Nguyen, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-2.0-FR)
Vorläufer des modernen Bibliotheksbaus: Der von Labrouste konzipierte Lesesaal der Pariser Bibliothèque Sainte-Geneviève

Die Druckausgabe des Artikel lässt sich für FU-Angehörige online über das F.A.Z.-Bibliotheksportal abrufen. Alternativ gibt es die kostenfreie Version mit aufmerksamkeitsheischenden Titel und mehr Bildern bei faz.net.

Bild: Marie-Lan Nguyen, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-2.0-FR