Das Universitätsarchiv hat kürzlich den Nachlass von Dieter Kunzelmann erschlossen und der Forschung zugänglich gemacht. Der Nachlass des linksradikalen Politikaktivisten umfasst heute insgesamt 27 laufende Regalmeter. Diese Sammlung gewährt einen einzigartigen Einblick in ein bewegtes Leben, das von politischen Kämpfen, Provokationen und oft auch von rechtlichen Konflikten geprägt war.


Ein Leben im Kampf für politische Veränderung
Dieter Kunzelmann war Mitbegründer und Aktivist der berühmten Kommune I und Mitglied des Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen sowie der terroristischen Gruppierung Tupamaros West-Berlin. Er soll an dem antisemitisch motivierten Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus am 9. November 1969 beteiligt gewesen sein, was er selbst jedoch vehement abgestritten hat. In der linksradikalen Zeitung Agit 883 veröffentlichte er einen „Brief aus Amman“, in dem er zur Solidarität mit der Fatah aufruft und vom „Judenknax“ schreibt.
Immer wieder geriet er mit dem Gesetz in Konflikt und verbüßte nach einer Zeit im Berliner Untergrund eine mehrjährige Haftstrafe. Als Freigänger ließ er sich – ohne Mitglied zu sein – als Kandidat für die Kommunistische Partei Deutschlands/ Aufbauorganisation (KPD-AO) in Berlin für die Wahl zum West-Berliner Abgeordnetenhaus aufstellen. Von 1983 bis 1985 war er im Zuge des damaligen Rotationsverfahrens Abgeordneter der Alternativen Liste Berlin. In den 1990er Jahren machte Dieter Kunzelmann durch verschiedene Aktionen – u.a. Eierwürfe auf Politiker, wie beispielsweise auf Eberhard Diepgen – von sich reden.
Kunzelmanns politisches Engagement und sein Kampf gegen das Establishment zogen ihn immer wieder in Konflikt mit den Behörden. Nach einer Zeit im Berliner Untergrund verbüßte er eine mehrjährige Haftstrafe und wurde als Freigänger für die Kommunistische Partei Deutschlands/ Aufbaustruktur (KPD-AO) in Berlin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus aufgestellt. Während seiner Zeit als Abgeordneter der Alternativen Liste Berlin von 1983 bis 1985 war er eine der markantesten Figuren der politischen Szene West-Berlins.
Der Nachlass: Ein Schatz an Informationen
Der Nachlass von Dieter Kunzelmann, der nun der Forschung zur Verfügung steht, ist ein wahres Archiv seines Lebens. Von privaten Tagebüchern über Korrespondenzen bis hin zu Materialien aus den politischen Kämpfen der 1960er und 1970er Jahre – der Nachlass enthält eine Vielzahl an Dokumenten, die einen Einblick in Kunzelmanns Lebensweg und die ihn interessierenden Themen gewähren. Besonders umfangreich ist das Material zu seiner Zeit als Abgeordneter der Alternativen Liste. In der Sammlung finden sich zudem zahlreiche Presseartikel, die über ihn und seine Aktivitäten berichten, sowie Fotomaterial aus den 1970er Jahren, das Kundgebungen und Demonstrationen dokumentiert.
Ein besonderer Fund im Nachlass ist das Material von Fritz Teufel, einem weiteren prominenten Mitglied der Kommune I und der APO. Diese zu einem Nachlass Fritz Teufel zugeordneten Unterlagen beinhalten unter anderem Korrespondenz mit Personen aus Teufels persönlichem Umfeld sowie ein „Knastkalender“ aus seiner Gefängniszeit zwischen 1975 und 1977.
Vom Chaos zur Ordnung: Die Archivarbeit
Der Nachlass von Dieter Kunzelmann war ursprünglich unstrukturiert und ungeordnet: Stehordner mit irreführenden Aktentiteln, lose Mappen und Stapel von unsortierten Blättern. Daher stand zuerst eine Autopsie an, um den Nachlass systematisch erschließen zu können. So wurden unzählige Presseausschnitte nach politischen Themen, Ereignissen und Personen sortiert, um einen klaren Zugang zu ermöglichen. Viele lose Blätter wurden in neue Akten umgewandelt oder in die bereits vorhandenen Sammlungen integriert.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Bewertung der Archivwürdigkeit des Materials. Bücher wurden nur in Ausnahmefällen übernommen, wenn sie mit Kommentierungen von Kunzelmann versehen waren. Teile des Nachlasses – etwa persönliche Korrespondenzen, Tagebücher und private Notizen – mussten jedoch aus Datenschutzgründen vorerst gesperrt werden.
Fazit
Der Nachlass von Dieter Kunzelmann bietet einen einzigartigen Zugang zu einem umstrittenen Aktivisten der 1960er und 1970er Jahre. Er gewährt nicht nur Einblicke in die politische Szene der Zeit, sondern auch in das Leben eines Mannes, dessen Engagement in der Kommune I, der APO und darüber hinaus die politischen Diskurse seiner Zeit nachhaltig beeinflusste. Das Universitätsarchiv hat mit der Erschließung dieses Nachlasses einen wertvollen Beitrag zur politischen und historischen Forschung geleistet, der es ermöglicht, das Leben und Wirken von Dieter Kunzelmann in seiner Komplexität zu verstehen.
Der Zugang zu den Metadaten und Dokumenten des Nachlasses finden Sie hier.
Autorin: Nadine Perske